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Hilfe! Ich bekomme eine Prophetie.

Es gibt eine Berufssparte in der Bibel, die total abgefahren ist. Deren Leben liest sich oft wie ein spannender Krimi.

  • Sie erleben krasse Dinge,
  • sehen krasse Dinge, die kein anderer je zu sehen bekommt,
  • essen krasse Dinge,
  • erzählen krasse Dinge,
  • und kleiden sich wohl wie Gandalf aus „Herr der Ringe“ (so zumindest in meiner Phantasie!).

Ich rede von den Propheten.

  • Jona lebte 3 Tage und 3 Nächte im Bauch eines Seemonsters
  • Hesekiel hat eine Gotteserscheinung mit kreisenden Rädern, die voller Augen sind und die in ihren Bewegungen allen Gesetzen der Physik widersprechen. Hier würde selbst Einstein wahnsinnig werden
  • Jesaja muss mit seinen Lippen glühende Kohle berühren
  • Johannes, der Jünger Jesu, muss eine Schriftrolle essen,
  • Johannes der Täufer ernährt sich nur vom wilden Honig und Heuschrecken
  • Und als haute couture trägt er die maßgeschneiderte Kleidung vom toten Kamel

Ich bin mir sicher, dass diese Propheten es heute, selbst in den charismatischsten aller Kirchen, sehr schwer hätten.

  • Ihre Visionen sind oft blutig, brutal und wirr.
  • Ihre Botschaft radikal: entweder du kehrst um, oder du verreckst.
  • Sie provozieren und ecken an.
  • Sie sind emotional und wechselhaft unbeständig – mal Hü und mal Hot, mal depressiv und mal manisch.
  • Was sie sehen und uns vermitteln wollen, kommt scheinbar aus einer anderen Dimension.

Und für viele Menschen klingen prophetische Botschaften nicht nur befremdlich, sondern oft auch abschreckend und beängstigend.

Dabei wollen die Propheten damals wie heute genau das Gegenteil erreichen. Ja, sie wollen zwar auch ab und an schockieren, aber das nur als ein rhetorisches Mittel, um die Zuhörer wachzurütteln. Echte Propheten bringen Gottes Worte zu den Menschen. Diese Worte, sagt uns der Hebräerbrief, sind wie eine scharfe Klinge:

Gottes Wort ist voller Leben und Kraft. Es ist schärfer als die Klinge eines beidseitig geschliffenen Schwertes, dringt es doch bis in unser Innerstes, bis in unsere Seele und unseren Geist, und trifft uns tief in Mark und Bein. Dieses Wort ist ein unbestechlicher Richter über die Gedanken und geheimsten Wünsche unseres Herzens. Gottes Augen bleibt nichts verborgen; vor ihm ist alles sichtbar und offenkundig. Jeder Mensch muss Gott Rechenschaft geben. Hebr. 4,12-13

Dieses Wort Gottes ist wie ein Skalpell eines Chirurgen. Es dringt tief in das menschliche Herz, schneidet krankes Gewebe heraus und bewirkt dort Rettung, Heilung und revolutionäre Veränderungen. Kein Arzt, kein Psychologe, kein Prediger, Prophet oder Magier können so tief in die Mitte menschlicher Existenz eingreifen und solche Erneuerung bewirken wie das Wort Gottes.

Und dieses Wort des Herrn wird bereits seit tausenden von Jahren Propheten anvertraut, die den Auftrag haben, Gottes Volk zu führen, zu hüten, zu ermahnen und zurück zu ihrem wahren Hirten zu rufen, wenn es sich verirrt hat.

Das Leben und der Auftrag eines Propheten sind nicht einfach. Er gilt oft als Außenseiter und Sonderling. Er sieht rot, wenn alle grün sehen und grün, wenn alle rot sehen. Er spricht geradeheraus, was einige hinter vorgehaltener Hand munkeln. Er konfrontiert furchtlos sowohl Könige als auch Knechte, Philosophen und Proleten, Diktatoren genauso wie Demokraten. Der Prophet steht und fällt mit seiner Botschaft. Das ist seine Leidenschaft und was ihm auch gleichzeitig sein Leiden schafft.

Dazu hat ein Prophet auch immer mit Menschen zu kämpfen, die in seinem Fahrwasser eine Chance für die eigene geistliche Profilierung und Popularität wittern. Falsche Propheten. Diese Zunft ist genauso alt und verbreitet, wie deren unverfälschtes Original. Sie blasen dort zum Marsch, wo kein Krieg ist, beschwichtigen mit Friedensbotschaften dort, wo eine Kampfansage vonnöten wäre, und umgarnen Könige mit Schmeicheleien, wo eine offene Rüge tatsächlich mal eine echte Offenbarung wäre.

Aber der echte Prophet stellt sich nicht aus reinem Prinzip gegen den Wind, gegen die öffentliche Meinung oder gegen die öffentliche Wahrnehmung. Er steht dort, wo Gott ihn hinstellt. Mal weht seine Fahne nach dem Wind, mal erhebt er sich wie ein Drache gegen den Wind. Aber überall dort, wo der Wind des Geistes Gottes weht, dort gleitet der echte Prophet auf Seinen Flügeln. Nehmen wir mal als Beispiel das bekannte Wort aus Jesaja 40,31:

Aber alle, die ihre Hoffnung auf den Herrn setzen, bekommen neue Kraft. Sie sind wie Adler, denen mächtige Schwingen wachsen. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und sind nicht erschöpft. 

Das prophetische Wort und das Bild vom Adler, der zunächst durch eine schwere Mauser gehen muss, um dann wieder zu Kräften zu kommen, ist eine starke Zusage Gottes für das Israel im babylonischen Exil damals und auch für uns alle im Jahr 2022. 

Es kann auch als Vision bezeichnet werden. Denn eine Vision ist die Fähigkeit, Dinge zu sehen, die noch nicht da sind. 

Israel war damals, im 6. Jahrhundert v. Chr., noch in der Gefangenschaft und somit „mitten in der Mauser“. Aber der Prophet sieht schon eine neue Zeit anbrechen. Er hat einen anderen, viel weiteren Horizont, als der Rest der Deportierten. Aber er ist alles andere als ein Träumer, denn Gott hat ihm diesen neuen, weiten Horizont eröffnet (hier spricht die Bibel von Offenbarung). So ähnlich definiert die Bibel auch den Glauben in Hebräer 11,1: „Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft: Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht.“  Der entscheidende Unterschied zwischen Glauben und Wahnsinn ist der, dass dem Glauben immer das Wort Gottes vorangeht. Davon ist das gesamte 11. Kapitel des Hebräerbriefes voll. Aber wie unterscheiden wir nun Wahnsinn von Glauben? Echte von falscher Prophetie?

Wir Christen leben im Spannungsfeld zweier Realitäten.

Zunächst ist da die Realität der transzendenten (jenseitigen) Welt. Das ist die Realität Gottes und seiner Welt. Damit beginnt Jesaja seinen Abschnitt über die Erneuerung (Jes. 40,28-29): „Begreift ihr denn nicht? Oder habt ihr es nie gehört? Der HERR ist der ewige Gott. Er ist der Schöpfer der Erde – auch die entferntesten Länder hat er gemacht. Er wird weder müde noch kraftlos. Seine Weisheit ist unendlich tief. Den Erschöpften gibt er neue Kraft, und die Schwachen macht er stark.“. 

Hierhin, nach oben, erheben wir unseren Blick und „sehen“ im Glauben jetzt schon Gottes Wirklichkeit und Möglichkeiten. Dahin ist nun unsere Sehnsucht, Hoffnung und unser Glaube ausgerichtet. So wie der Psalmist (Ps. 121,1-2) singt: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.“

Und dann ist da noch die immanente (diesseitige) Realität – die Wirklichkeit nach Eden (post-edenisch). Und der Prophet hat auch sie im Blick wenn er schreibt (Jes. 40,29-30): „Selbst junge Menschen ermüden und werden kraftlos, starke Männer stolpern und brechen zusammen.“ Das ist die Wirklichkeit, in der du und ich uns oft wiederfinden. Wir stolpern, wir fallen, wir werden müde – Gottes Wirklichkeit in unserem Leben ist noch nicht voll da. Willkommen in der post-edenischen Realität! Und das ist auch die Spannung, in der wir alle leben und die auch erst völlig aufgelöst wird, wenn das neue Eden kommt (vgl. Off. 21-22).

Jetzt schon und doch noch nicht!

So ist es mit dem Reich Gottes und allen Gütern und Gaben der transzendenten Welt – jetzt schon und doch noch nicht! Jeder ehrliche und echte Prophet sieht das, spürt das, verkündet das und leidet gleichermaßen unter dieser Spannung. Die Hochzeit zwischen Himmel und Erde ist nicht nicht vollzogen, aber wir sehen und hören schon deutlich, den Bräutigam herannahen.

Daher ist es die Aufgabe von Propheten, damals wie heute, uns beide Realitäten in aller Deutlichkeit und Klarheit (und trotzdem immer noch stückwerkhaft! (vgl. 1Kor. 13,9)) vor Augen zu malen und uns dann aufzurichten und in die Realität Gottes (das nennt die Bibel Reich Gottes) einzuladen. Das ist die Aufgabe von Propheten (1Kor. 14,3-4) für die Gemeinde von heute: „Wer aber eine prophetische Botschaft von Gott empfängt, kann sie an andere Menschen weitergeben. Er hilft ihnen, er tröstet und ermutigt sie. … Wer in Gottes Auftrag prophetisch spricht, stärkt die ganze Gemeinde“.

Ich kenne einige verantwortungsbewußte Propheten, die selbst in dieser Spannung zwischen Transzendenz und Immanenz stehen und die vollmächtig, in Liebe und im Geist des Aufwinds und Aufrichtens der Gemeinde dienen. Aber ich kenne auch die wahnsinnigen Propheten. Ich nenne sie so, weil sie, ähnlich wie Menschen mit einer ernsthaften psychischen Störung, den Bezug zur Realität verloren haben und sich in eine Parallelwelt (fiktive Realität) flüchten. Das nennt man in der Psychologie eine Psychose und vielleicht ist das auch eine bessere Bezeichnung einiger „Propheten“ von heute – „psychotische Propheten“. Die Bibel spricht hier schlicht von falschen Propheten. Das Internet (vor allem YouTube) ist heute voll von ihnen und so mancher aufrichtige Jesusnachfolger, der für Gottes Geist und Wirken offen ist, ist zuweilen überfordert, echt von unecht, richtig von falsch, Wahnsinn von Wort Gottes zu unterscheiden. Die wesentlichen 5 Merkmale eines „psychotische Propheten“ sind in Kürze Folgende:

    • Er löst die Spannung zwischen Jenseits und Diesseits in der Weise auf, dass nur die jenseitige Welt für den Christen die einzig reale und wahre Welt ist (das ist die einzige „geistliche“ Welt für sie und deren Jünger).
    • Er verspricht edenische (Eden-Gleiche) Zustände bereits im Hier und Jetzt: volle Intimität mit Gott, vollkommene Heilung, vollkommene Durchsetzung des Wortes Gottes (in der Regel ist es aber dann doch nur das Wort, das der Prophet von sich gibt), vollkommene Wunder, etc..
    • Jeder, der dann aber doch noch in der immanenten Welt verfangen ist (weil er nicht in Sprachen betet, weil er noch krank ist, weil er noch zweifelt, weil er noch Not und Trauer erleidet), ist damit auch nicht geistgetauft oder -erfüllt, nicht wirklich „gläubig“ und lebt damit auch nicht in der Realität der Königsherrschaft Gottes.
    • Diese Propheten sind oft über jeder Kritik und dem gesunden, notwendigen Prüfen einer Ortsgemeinde (vgl. 1Kor 14, 29) erhaben. Sie sehen sich als wahre „Pneumatiker“, als besonders Gesalbte und Geisterfüllte, die ihre Botschaft direkt aus Gottes Thronsaal bekommen. Sie haben oft Prophetien für Länder und Städte, Visionen der Endzeit und Visionen über konkrete politische und geopolitische Ereignisse (Wahlen, Corona, polit. Umbrüche, Naturkatastrophen, etc.), die sich allerdings alle der Prüfbarkeit entziehen.
    • Auch wenn bestimmte von ihnen „vorhergesagte Ereignisse oder Visionen“ nicht eintreffen, haben sie dafür immer eine neue „geistgewirkte Erklärung“, oder sie überlassen sie der Amnesie ihrer „Nachfolger“. Aber korrigiert werden solche Irrtümer in der Regel nicht. Sie leben in einem Elfenbeinturm spiritueller Unantastbarkeit, getragen von einer euphorischen und enthusiastischen Fangruppe, die meist auch in einer „Bubble der Seeligen“ lebt.

Das Schwierige an der „Unterscheidung der Geister“ in solchen Fällen ist der Tatsache geschuldet, dass die Botschaften dieser Propheten immer auch „ein Körnchen Wahrheit“ enthalten. Das liegt in der Natur des Reiches Gottes, das „schon da ist“ und „doch noch nicht ganz“. In dieser Spannung leben und arbeiten die Propheten des Alten und Neuen Bundes. Diese Spannung bringt uns Jesus in seiner Lehre vom Reich Gottes und das ist auch die Erfahrung der ersten Apostel und der Kirche der letzten Jahrhunderte. Und in dieser Spannung steht auch das prophetische Wort an uns alle für dieses Jahr:

Selbst junge Menschen ermüden und werden kraftlos, starke Männer stolpern und brechen zusammen. Aber alle, die ihre Hoffnung auf den HERRN setzen, bekommen neue Kraft. Sie sind wie Adler, denen mächtige Schwingen wachsen. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und sind nicht erschöpft. Jesaja 40,30-31

Das echte geistliche Leben findet nicht in der jenseitigen oder diesseitigen Welt statt, sondern im Leben und Erleben beider Welten gleichzeitig.

Diese Spannung nennt die Bibel geistliches Leben und einen geistlichen Kampf. Es ist das Leben und der Kampf zwischen der hoffnungsvollen Erwartung des Reiches Gottes und der noch nicht vollzogenen Ankunft dieses Reiches.

Ich habe heute diesem Thema viel Platz eingeräumt und ich weiß nicht, wer sich das tatsächlich auch „reinzieht“ (es erfordert eine Aufmerksamkeitsspanne, die weit jenseits eines TikTok- oder Insta-Posts liegt). Allerdings finde ich es wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen, damit jeder von uns fähig ist, zu unterscheiden. Denn die Gemeinde muss die Propheten prüfen! Zu diesem Thema habe ich mal vor Jahren einen anderen Blogbeitrag (10 Merkmale für echtes prophetisches Reden) geschrieben, der auch noch interessant sein könne.